Abstract
In einem gemeinsamen Debattenbeitrag vom September 2022 in der größten Tageszeitung Dänemarks, der konservativen Jyllands Posten, haben die Vorsitzenden des Nationalrats für ländliche Entwicklung sowie der Klima-, Umwelt- und Planungssauschüsse des Landesverbandes der dänischen Gemeinden dazu aufgefordert, »die Energiewende einen Wendepunkt für die Entwicklung ländlicher Gebiete werden zu lassen« (Jyllands Posten 2022). Sie beschreiben darin den Ausbau von Infrastrukturen zur Nutzung erneuerbarer Energien, der auf den ersten Blick als unvereinbar mit dem »guten Leben auf dem Land« (ebd.) erscheint, als einzigartige Chance für den Kampf gegen den Klimawandel und für die Zukunft des ländlichen Raumes. Dabei fordern sie die dänische Regierung dazu auf, ernsthafte Lösungen auf den Weg zu bringen, die der ländlichen Entwicklung dienen, die den Mehrwehrt erneuerbarer Energien den betroffenen Gemeinden anstatt den Infrastrukturbetreibern zukommen lassen, sowie nicht zuletzt auch die ländlichen Bürger*innen einbinden, um undemokratische Entscheidungsprozesse zu vermeiden und den sozialen Zusammenhang zu stärken. Der Aufruf mahnt an, »Lösungen zu priorisieren«, die lokale Gemeinden und Gemeinschaften »entwickeln«, »anstatt [diese] abzuwickeln« (ebd.).
Dieser Beitrag deutet auf zwei wesentliche Aspekte hin: Erstens, und anderen europäischen Ländern ähnlich, sind ländliche Räume in Dänemark auch von gravierenden Folgen des Strukturwandels betroffen, wobei der bisherige Ausbau erneuerbarer Energien scheinbar als nicht oder nur unzureichend mit ländlicher Entwicklung in Verbindung gebracht wurde. Zweitens ist die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Visionen zum Ausbau erneuerbarer Energien angedeutet. Eine Vision, in der die Infrastrukturen zum Fortbestehen und zur Entwicklung der Lebensqualität im ländlichen Raum beitragen, und eine Vision, in der der massive Ausbau erneuerbarer Energien dem guten Leben auf dem Land entgegensteht, diesen gefährdet oder gar verdrängt.
Das Beispiel illustriert, wie politische Konflikte um Infrastrukturen in ländlichen Räumen Fragen nach infrastrukturellen Zukünften jenseits des bestehenden aufwerfen – nach infrastrukturellen Utopien. Utopische wie auch dystopische Vorstellungen von ländlichen Zukünften haben immer auch eine infrastrukturelle Dimension. Dies möchten wir anhand von drei Punkten ausführen. Erstens steht der Begriff der infrastrukturellen Peripherisierung für regionale Benachteiligungen entlang von fehlenden, defizitären oder auch unerwünschten Infrastrukturen in ländlichen Räumen. Infrastrukturelle und regionale Benachteiligungen können sich gegenseitig verstärken und zu einer dauerhaften und wortwörtlichen »Abkopplung« führen. An diese politischen Problemlagen schließen zweitens aktuelle Entwicklungen eines infrastrukturellen Populismus an. So können infrastrukturelle Defizite nicht nur eine Ursache für die überdurchschnittliche Zustimmung zu rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen in ländlichen Räumen darstellen. Rechtspopulist*innen entwickeln auch eigene Positionen in der Infrastrukturpolitik und schaffen eigene Infrastrukturen zur Mobilisierung und Organisierung. Diesen planerischen und politischen Herausforderungen für ländliche Räume stellen wir drittens infrastrukturelle Utopien entgegen – Gegenentwürfe für sozial und ökologisch gerechte sowie demokratische ländliche Zukünfte.
Wir gehen damit in unserem Beitrag zwei Thesen nach. Zum einen sehen wir in infrastrukturellen Benachteiligungen einen Grund für die Herausbildung von Rechtspopulismus in ländlichen Räumen. Zum anderen erfordern überzeugende Alternativen zu rechtspopulistischen Bestrebungen auch Vorstellungen davon, wie ländliche Räume und deren Infrastrukturen in der Zukunft gestaltet werden können. Im Folgenden führen wir für unsere Betrachtungen jeweils Bezüge aus der aktuellen Literatur sowie empirische Illustrationen aus Dänemark an, die auf vorhergehende Arbeiten zurückgreifen. Diese beziehen sich insbesondere auf die umkämpfte Verhandlung von Energieinfrastrukturen im ländlichen Raum (Elkjær/Rudolph/Horst 2023) und deren Einbindung in Strategien zur ländlichen Entwicklung (Rudolph/Clausen 2021).
Dieser Beitrag deutet auf zwei wesentliche Aspekte hin: Erstens, und anderen europäischen Ländern ähnlich, sind ländliche Räume in Dänemark auch von gravierenden Folgen des Strukturwandels betroffen, wobei der bisherige Ausbau erneuerbarer Energien scheinbar als nicht oder nur unzureichend mit ländlicher Entwicklung in Verbindung gebracht wurde. Zweitens ist die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Visionen zum Ausbau erneuerbarer Energien angedeutet. Eine Vision, in der die Infrastrukturen zum Fortbestehen und zur Entwicklung der Lebensqualität im ländlichen Raum beitragen, und eine Vision, in der der massive Ausbau erneuerbarer Energien dem guten Leben auf dem Land entgegensteht, diesen gefährdet oder gar verdrängt.
Das Beispiel illustriert, wie politische Konflikte um Infrastrukturen in ländlichen Räumen Fragen nach infrastrukturellen Zukünften jenseits des bestehenden aufwerfen – nach infrastrukturellen Utopien. Utopische wie auch dystopische Vorstellungen von ländlichen Zukünften haben immer auch eine infrastrukturelle Dimension. Dies möchten wir anhand von drei Punkten ausführen. Erstens steht der Begriff der infrastrukturellen Peripherisierung für regionale Benachteiligungen entlang von fehlenden, defizitären oder auch unerwünschten Infrastrukturen in ländlichen Räumen. Infrastrukturelle und regionale Benachteiligungen können sich gegenseitig verstärken und zu einer dauerhaften und wortwörtlichen »Abkopplung« führen. An diese politischen Problemlagen schließen zweitens aktuelle Entwicklungen eines infrastrukturellen Populismus an. So können infrastrukturelle Defizite nicht nur eine Ursache für die überdurchschnittliche Zustimmung zu rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen in ländlichen Räumen darstellen. Rechtspopulist*innen entwickeln auch eigene Positionen in der Infrastrukturpolitik und schaffen eigene Infrastrukturen zur Mobilisierung und Organisierung. Diesen planerischen und politischen Herausforderungen für ländliche Räume stellen wir drittens infrastrukturelle Utopien entgegen – Gegenentwürfe für sozial und ökologisch gerechte sowie demokratische ländliche Zukünfte.
Wir gehen damit in unserem Beitrag zwei Thesen nach. Zum einen sehen wir in infrastrukturellen Benachteiligungen einen Grund für die Herausbildung von Rechtspopulismus in ländlichen Räumen. Zum anderen erfordern überzeugende Alternativen zu rechtspopulistischen Bestrebungen auch Vorstellungen davon, wie ländliche Räume und deren Infrastrukturen in der Zukunft gestaltet werden können. Im Folgenden führen wir für unsere Betrachtungen jeweils Bezüge aus der aktuellen Literatur sowie empirische Illustrationen aus Dänemark an, die auf vorhergehende Arbeiten zurückgreifen. Diese beziehen sich insbesondere auf die umkämpfte Verhandlung von Energieinfrastrukturen im ländlichen Raum (Elkjær/Rudolph/Horst 2023) und deren Einbindung in Strategien zur ländlichen Entwicklung (Rudolph/Clausen 2021).
Original language | German |
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Title of host publication | Ländliche Utopien : Herausforderungen und Alternativen regionaler Entwicklungen |
Editors | Michael Mießner, Matthias Naumann, Ulrike Grabski-Kieron, Annett Steinführer, Werner Nell, Marc Weiland |
Publisher | Transcript-Verlag |
Publication date | 2024 |
Pages | 115-126 |
ISBN (Print) | 78-3-8376-7233-6 |
ISBN (Electronic) | 978-3-8394-7233-0 |
DOIs | |
Publication status | Published - 2024 |